Leben und Lassen

Fürstenwalde - Oststrand

Kurz vor neun. Alexanderplatz. Auf zum Termin in Fürstenwalde an der Spree. Das Rad muss mit. Der Zug rollt an, die Klimaanlage funktioniert, fröhliches Plauschen füllt die Wagen. Als der Zug 20 Minuten später in Rummelsburg stehen bleibt, nimmt anfänglich niemand bewusst davon Notiz. Erst als der Zugbegleiter ans Mikrofon tritt und den Spielstand verkündet, horchen alle auf: „Wegen einem technischen Problem verzögert sich die Weiterfahrt um wenige Minuten.“ Noch ist außer dem Genitiv also nichts verloren. 15 Minuten verstreichen. Der Zug steht. Der Kommunikationsbedarf steigt. Der Zugbegleiter pirscht durch die Wagen – unbehelligt. Wenig später die Durchsage: „Wegen einem Lokschaden können wir nicht weiterfahren. Wir warten auf eine Ersatzlok.“ Der Genitiv wartet auf seine Chance und der Zugbegleiter tritt mutig den Rückweg an – nicht mehr unbehelligt. Wann es denn weiter gehe, wird er gefragt: „Wenn die Lok da ist.“ Alles klar. Terminpflichtige Reisende greifen nach Handtelefonen. Kurze Zeit später weiß im Abteil jeder von jedem den Grund der Bahnfahrt.
30 Minuten nach fahrplanmäßiger Ankunftszeit. Der Zug steht. Der Zugbegleiter hat sich verdünnisiert und schweigt beharrlich. Dem in der Spreestadt ausharrenden Gesprächspartner ist eine ungewisse Wartezeit nicht zuzumuten. Somit entfällt der Grund der Reise.
Eine junge Frau ruft die Servicenummer der Bahn an, schildert die Lage und versucht herauszufinden, wann denn nun mit dem Ankoppeln der Ersatzlok zu rechnen sei. Ihr wird mitgeteilt: „Sie haben 40 Minuten Verspätung.“ Ach nee! Danke Bahn, du hast einen Fünf-Euro-Gutschein gewonnen. Der wird bei der nächsten Buchung an einem Serviceschalter auf den Ticketpreis angerechnet (Barzahlung ausgeschlossen) - falls du vor Erreichen des Schalters nicht wegen der langen Wartezeit komatös zusammen brichst. Und nicht vergessen: Buchen am Schalter kostet fünf Euro Serviceaufschlag – tja, in Nullsummenspielen sind wir groß!
Der Zug steht. Zynismus und Unmut machen sich breit. Der Zugbegleiter lässt sich zu einer Durchsage herab. „Nach dem Ankloppeln der Lok werden wir zum Ostbahnhof zurück geschleppt. Dort können Sie dann Ihre Fahrt fortsetzen.“ Großartig. Aber viele wollen inzwischen nicht mehr Richtung Osten.
Plötzlich ein Stoß – die Lok ist drin dran. Rück(wärts)fahrt. Der Zugbegleiter traut sich erhobenen Hauptes durch den Zug und verteilt großzügig vorgestempelte Entschuldigungszettel. Wie es denn mit der Erstattung der Fahrkarten aussähe, wollen viele wissen. Schließlich habe sich der Grund der Fahrt ja nun erledigt. Der Zugbegleiter taut auf und wird gesprächig. „Das Gesetz für Fahrgastrechte im Bahnverkehr tritt erst am 29.07. in Kraft. Ab dann kriegen Sie auch für solche Fahrten im Regionalzug den Fahrpreis erstattet.“ Fehlerfrei, wow.
Hin- und Rückfahrt plus Fahrradkarte – 15 Euro für eine nicht erbrachte Leistung, Nebenkosten nicht eingerechnet.
Elf Uhr, Ostbahnhof. Der Zug fährt ein. Wild schreiend und gestikulierend rennt der Zugbegleiter über den Bahnsteig in Richtung Triebwagen und brüllt den Lokführer an: „Guck mal was du gemacht hast, du Depp!“ Alle schauen auf das Zugende. Der letzte Wagen steht außerhalb des Bahnhofs und die Fahrgäste helfen sich gegenseitig übers Gleisbett auf den Bahnsteig.
Alles bestens liebe Bahn. Wir fahren gern sinnlos durch die Gegend und erkunden dein Betriebsgelände. Unsere Zeit kostet dich ja nichts. Das Ticket verbuchen wir in den Betriebsausgaben unter 'Fahrtkosten' und tun so, als wären wir wirklich bei unserem Geschäftspartner angekommen. Du hast trotzdem Gewinn gemacht. Und klar – nimm' das Geld und zahle damit die Reparatur der Lok. Wir schreiben uns dafür Sozialpunkte. Dann fühlt man sich doch gleich besser.
Kompensation. Selbst gemacht. Das Rad parkt am Oststrand. Da ist auch Spree, Sonne, weicher, warmer Sand, Kaffee und sanftes Plauschen.

Auf-Null-Sätze

Ideal

Die EU hatte ich gar nicht verlassen. Aber danke trotzdem. Und danke auch, dass ich bei jedem Netzwechsel von Ihnen wieder so freundlich begrüßt wurde. Ich nehme Sie beim Wort und schicke Ihnen meine Rechnung für die Telefonate in Österreich zurück. Die Erstattung ist Ihnen doch 'egal' - Sie übernehmen Sie also gern. Oder?

Salzkammergut

Salzkammergut

Entdeckungsreise

Samstag. Der Kurze will bespaßt werden. Das Wetter sagt: draußen. Der kleine Eisenbahnfan sagt: Loxx. Uff, also flugs den Laptop eingesteckt, denn Züge interessieren mich so gar nicht und Eisenbahnplatten sind für mich etwas, das erwachsene Männer ihren Söhnen schenken, weil sie selbst damit spielen wollen.
Kaum angekommen, verschwindet der kleine Lokführer mit dem Kommentar: "Lass dir ruhig Zeit mit deiner Arbeit." Nach zwei Stunden hat ihn das begeisterte Entdecken durstig gemacht. In Rekordzeit durchläuft ihn das Kaltgetränk und schon ist er wieder weg.
Nach dreieinhalb Stunden ist am ausgelagerten Schreibtisch wirklich alles erledigt. Und bei neun fetten Euronen Eintritt, sollte man vielleicht doch einen Blick auf die Miniaturwelten werfen? Schließlich schwärmte der kleine Spezialist immer wieder davon, es war mein erster Besuch und ich hatte dort von in der Menge versteckten Skurrilitäten gelesen.
Der Kurze gab stolz eine Kurzführung und dann ging für mich die Suche nach den versteckten Kuriositäten los. Die Ausbeute ist sehr amüsant und längst nicht umfassend:

Problemfaelle
Problemfälle: da bleibt auch Knut nicht ausgespart.

Coole_Typen
Coole Typen: wie im richtigen Leben.

Posierer_und_Spanner
Spanner und Posierer: gut beobachtet.

Ausgefallene-Berufsgruppen
Ausgefallene Berufsgruppen: der alltägliche 'Berliner Wahnsinn'.

Opfer
Opfer: Raser Nummer eins wurde vom Sensenmann am Unfallort schon erwartet, Raser Nummer zwei empfängt die Besucher an der Sichtschutzscheibe und Raser Nummer drei übt den innerstädtischen Tiefflug.

Unglaubliche_Lieferungen
Unglaubliche Lieferungen: der Trabbi ins Grab, der Truck in die Wendeschleife und das Baby direkt aus des Klapperstorchs Krippe in die Hände der 112-ler.

Verfolgte
Verfolgte: Der Opa ahnt (noch) nichts von seinem Schicksal, die Dame mit dem Putzfimmel wird nie fertig, denn Kindernasen hinterlassen immer wieder Spuren und die Flitzerin schafft es vielleicht ihrem Verfolger zu entkommen (im Hof des Gebäudes dahinter findet gerade eine Vereidigung statt).

Leidenschaft
Leidenschaft: 'Bulle' heiratet Kuh - ohne Kommentar.

Nach einer weiteren Stunde sind der Eisenbahner und ich dann in die Sonne gezogen. Und klar werde ich ihn wieder in 'seine' kleine Welt begleiten.

P.S. Ja, einige Fotos sind unscharf. Aber an die winzigen Figürchen war teilweise schwer heranzukommen und ich habe, bei all der Kameraüberwachung, eigentlich immer damit gerechnet, dass man mich gleich hinauskomplimentieren wird, soweit wie ich mit der Kamera über der Sicherheitsscheibe hing.

Fighting It Off

Fighting_It_Off

Italian Impressions

Italian_Impressions

ernüchternde erleuchtung

erleuchtet nach krawallen bei fußballspielen in den letzten zwei jahren hatten die stadtoberen roms vor dem champions-league-finale offensichtlich eine eingebung von ganz oben: wo kein alkohol, da keine randale.
denn wenn zigtausende briten und spanier nichts drehendes zu kaufen bekämen, müssten sie wohl in die restaurants und dort teuer für ihr bier bezahlen. so teuer, dass es nicht bis zur sturztrunkenheit reicht – so oder ähnlich wohl die intention der herren im rathaus.
praktisch sah das gestern so aus: die geneigte touristin mochte den abend mit einem bier auf der blumenumrankten dachterrasse ihres hotels ausklingen lassen und begab sich selbiges zu kaufen. auf dem großen kühlschrank des kleinen imbisses klebte ein handgeschriebener zettel. der verkündete ein alkoholverkaufsverbot bis zum morgen nach dem spiel und der chef war gewillt, sich daran zu halten. aber bekanntlich führen viele wege nach rom und siehe da, ein paar gässchen weiter nahm es ein weinhändler nicht so genau. sonst hätte er seine butze gestern auch zusperren können. als die touristin kurz gemustert und für fußballfrei befunden wurde, steckte er ihr schnell das bier in die tasche, kassierte und sie schwor, nie diesen laden betreten zu haben.
heute dachte sich die touristin: ab in den supermarkt und den lauschigen abend auf der terrasse nicht vertrocknen lassen. aber auch dort war ebbe – kein tröpfchen alkohol lief übers kassenband.
dann eben ein abendessen mit wein auf der piazza um die ecke.
doch dort hatte die trostlosigkeit ihren höhepunkt bereits erreicht, als die touristin gegen neun uhr abends aus der gasse auf den platz bog. die restaurants waren leer, zwei hatten gar nicht erst aufgeschlossen. auf den wenigen besetzten tischen prankten wasserflaschen in preußisch-blau. promille-dürre im land des weines. bacchus dreht sich im grabe um, die römer reißen witze.
die die stadt flutenden fußballfans hatten sich ihre notwendige grunddröhnung wohl mitgebracht. krawalle gab es gestern schon und das spiel ist noch nicht vorbei.

momente der ewigen stadt

den augen folgen. wenige tage zeitfrei. gesehenes in pixel reduzieren. viel mehr bleibt in der erinnerungsschleife.
frühstück gegen mittag. die zeitung dazu. am kiosk blökt keine blöd. die seriösen blätter flattern dagegen zahlreich.
den americano kann ich gleich mit nach draußen nehmen. mein pannini werde man(n) bringen. als der kaffee alle, die zeitung fast leer ist und ein frischer kaffee her muss, frage ich nach dem brot. das hatte man im wärmegerät vergessen. kein problem. zwei minuten später ist beides da. und beim bezahlen, will man vom brot nichts mehr wissen. dafür noch zu kassieren wäre nicht fair, lacht mir der wirt ins gesicht.
beim schlendern überholt mich eine nonne ganz in weiß und im laufschritt. die schönsten männer entpuppen sich bei genauer betrachtung oft als kleriker. in einer gasse vor einem kleinen lädchen begrüßt das inhaberpaar einen hochaufgeschossenen mann mit dunklem haar. er geht festen schrittes auf die beiden zu. als ich an den dreien vorbei gehe, blicke ich in sein ebenmäßiges, offenes gesicht, sehe sein kleines weißes bindchen unterhalb des kehlkopfes und höre das ihm entgegen fließende 'monsignore'.
und im petersdom lacht ein geistlicher so schallend, dass meine augen ihm lange folgen.

Internal Changes

Kurz vor Mitternacht. Eine Haustür vor meiner stehen zwei junge Männer, wild gestikulierend, offensichtlich mehr als angetrunken. Ausweichen kann ich nicht mehr. Als ich sie laufend zu umschiffen versuche, spricht mich einer der beiden an: 'Hast du mal Feuer? Ich muss hier meinem Kumpel noch was erzählen und niemand der hier vorbei kommt, hat uns für voll genommen'. Ich bleibe stehen, krame in der Jackentasche. 'Klar hab' ich Feuer.' Ich reiche ihm mein Feuerzeug, er bietet mir eine Kippe an. Dankend lehne ich ab. 'Rauche nur meine Ökokippen. Muss nach Hause, früh raus', nuschele ich ihm entgegen. Er wiederholt in seinem Suff die Kippenofferte. Ich bitte ihn, doch einfach seine und die Zigarette seines Kumpels anzuzünden und mir mein Feuerzeug zurück zu geben. Das tut er und klopft mir dankend auf die Schulter. Während ich ein paar Meter weiter meine Haustür aufschließe denke ich 'noch gestern hättest du dem Typen frustriert eine fiese und abwertende Antwort auf seine Bitte entgegen geschmettert, ihn als Störfaktor deines Heimkehrens behandelt'. Und heute kann ich ihn, befreit von oktruiertem Frust als Begebenheit nehmen – ein großartiges Gefühl.

raus und frei

eine von fremder hand auf den spiegel gemalte fratze speit mir ins gesicht. ich erkenne mich nicht. das hungertuch zurrt sich fest um den hals und der trägt den kopf trotzdem mit würde. es gibt schlimmere schmerzen. und die drohende luftnot treibt sauerstoffreserven ins hirn und bewegt die füße auf der suche nach neuen wegen.

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Meinungen

sie haben doch nicht...
das reisefieber und die fotolust "kurriert"? ich vermiss...
Ranunkelchen - 27. Mai, 23:14
auch von mir....
... alles gute nachträglich.
Doro (Gast) - 10. Mär, 17:13
hab lieben dank!
Paula notes - 8. Mär, 23:03
herzlichen glückwunsch!...
schneck08 - 6. Mär, 00:04
ich selbst
kanns aus 9monatiger eigener abstinenz nur empfehlen!...
ranunkelchen (Gast) - 12. Okt, 21:35
ja, sicher
und fern und scheinbar nicht erreichbar. aber für mich...
Paula notes - 6. Sep, 01:12
der nachthimmel hat's...
der nachthimmel hat's gut.
schneck08 - 5. Sep, 10:14

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Zuletzt aktualisiert: 15. Apr, 10:03