Eine Messe und drei Satelliten, die inzwischen Planeten sind, hunderte Galerien, tausende Kunstwerke – die Masse erschlägt.
Trittbrettfahrer, Kopierer, Möchtegerne, knallharte Vermarkter von Oberflächlichkeit aller Orten. Jedoch ist positiv zu vermerken: es werden weniger.
Schon allein deswegen lohnt sich der Kunstmarathon in diesem Jahr besonders.
Weniger ist mehr scheinen sich viele Galeristen auf dem
Art Forum auf die Fahnen geschrieben zu haben. Ruhig gestaltete Kojen, oft nur mit Einzelpositionen besetzt, laden zu nachwirkenden Entdeckungen ein. Auftritt und Präsentation der Galerien sind wie immer hoch professionell. Erfreulich ist der weitgehende Verzicht auf die im laufenden Betrieb vertretenen Blockbuster zugunsten versuchter Erregung von Aufmerksamkeit für viel versprechenden Nachwuchs.
Die
Berliner Liste empfängt im denkmalgeschützten und einer Luxussanierung todgeweihten, ehemaligen Hotel Cumberland. 74 Galerien buhlen um Aufmerksamkeit. Auf einige hätte der Veranstalter zugunsten von Qualität besser verzichtet, denn ihr Hang zu Kitsch und Dekorativem wirkt störend zwischen anspruchsvollen Positionen internationaler Kunst. Unkonventionelle Arbeiten strahlen hier deshalb um so heller.
Die Möglichkeit des Weiterlebens eines ‚Untoten’ beweist die
Preview im Hangar Zwei des Flughafens Tempelhof. Höhe und Weite beflügeln hier den Kunstbetrieb, sowohl im Spektrum teilnehmender Galerien als auch in Art und Präsentation der Arbeiten.
Wandertaugliches Schuhwerk erfordert der
Kunstsalon. Im Umspannwerk in der Kopenhagener Straße setzen die Veranstalter auf Kuratoren- und Künstlerprojekte, was der Messe einen erfreulich unkommerziellen und sehr experimentellen Touch gibt. Mangelnde Professionalität wird hier zum Plus und läßt den Besucher zum Forscher in Raum und Installation werden.
Was allgemein überwiegt, ist die Tendenz zu Fotografie, feingliederiger Zeichnung und Kleinplastik.
Grazil und hintergründig, sei es in Kohle, Kreide oder Bleistift, fein ziseliert, ausgeschnitten und collagiert geschichtet, bedacht vieldeutig installiert, laden viele Arbeiten zu hintergründiger Entschlüsselung. Willigen Entdeckern wächst Raum und nachhaltiges Erlebnis, Anhängern von Pomp und Oberflächlichkeit Mangel. Ein sehr erfreulicher Trend, ein back-to-the-roots.
Und ganz persönlich? Nach zwei Tagen der Kunst (vorerst) satt, bleiben die Eindrücke, die mich innerlich getroffen haben, die Arbeiten, die mich da abholen, wo ich gerade innerlich stehe. Das ist sehr subjektiv.
Als ich diesem Objekt begegnete, war es um mich geschehen. Nein, ich werde nicht verraten auf welcher der Messen, bei welcher Galerie – denn ich habe mich verliebt. Und jetzt wird es das ewige Spiel um Liebe und Geld. Ich hoffe auf Ignoranz folgender Rezipienten und weiß doch um Menschen mit ähnlichen Gefühlen und Wünschen. Einer wird mir dieses wundervolle, mechanische Wunschkästchen wegkaufen, vielleicht schon morgen. Und ich werde trauern, um das Teil von mir, das da so tief drin steckt und dann wohnen wird, wo ich nicht bin. So gern würde ich an dem kleinen Eisenteil ziehen können, wann immer ich mag und das Flügelchen in Bewegung setzen, meinen Träumen Raum gebend, wieder und wieder mit ihm in unbekannte Weiten fliegen.
Und ein Objekt hat mich in Bauch und Hirn gleichzeitig getroffen, mich da tief getroffen, wo ich gerade stehe und: es war bezahlbar. Die ‚Robinia pseudoacacia (L.) in vitro’ von Klaus Fritze wird fortan bei mir wohnen. Aus einem Samen gekeimt, ist das zarte Pflänzchen in einem 20 cm hohen Weckglas mit einer fixen Nährlösung eingesperrt, mag kein direktes Sonnenlicht und wird sich deshalb auf meinem Schreibtisch hoffentlich wohl fühlen. Ich werde dem Bäumchen beim Wachsen zuschauen, es wird mein beobachteter Ruhepunkt sein und den Versuch einer Extraktion aus dem In-Vitro-Status nach sechs Monaten, die ihr der pflanzende Kreateur im Glas gibt, hoffentlich lange überleben.